Ausflug mit schweren Folgen

Hinrichs Geschichte

Ausflug mit schweren Folgen

Was ein fröhlicher Ausflug hätte werden sollen, endete für Hinrich, seinen Bruder Johann und die Eltern in einem wahren Albtraum. Bianca, die Mutter der beiden Jungs, erinnert sich: „Als unsere beiden Söhne an einer Tauchfreizeit in Holland teilnehmen wollte, war mir gleich nicht so ganz wohl!“ Hinrich und Johann sind Mitglieder in einem Tauchverein. Und das Angebot eines Segeltörns auf dem Isselmeer im August 2017 versprach Freiheit und Abenteuer. Wie wunderbar! Die ersten Ferien ohne Eltern! Am Sonntag ging es los. Voller Vorfreude verabschiedeten sich die Brüder von den Eltern und machten sich mit ihren Tauch-Freunden auf, Richtung Holland.

Aber schon Montagnachmittag klingelte bei Bianca und Friedrich das Telefon. „Es war der schlimmste Anruf unseres Lebens!“ Die bloße Mitteilung: „Ihr Sohn hatte einen schweren Unfall – kommen Sie bitte in das Krankenhaus nach Amsterdam!“, zog den Eltern den Boden unter den Füßen weg. Friedrich: „Die Fahrt war schrecklich. Die gesamte Strecke, immerhin mehr als 550 Kilometer, wurden wir von der Frage gequält, was nun sein würde!“

Was die Eltern wussten: Die Rettungskräfte hatten Hinrich und einen Betreuer vom Schiff mit in die Klinik genommen. Bruder Johann war auf dem Segler geblieben und konnte erst kurz vor Mitternacht mit den Eltern sprechen, als auch das Schiff in Amsterdam anlegte. Dort gab es sofort psychologische Unterstützung für die Kindergruppe. Der Abbruch der Reise wurde erwogen – Psychologen und Betreuer entschieden sich aber dafür, alles gemeinsam an Ort und Stelle zu bearbeiten. Auch Johann blieb an Bord des Schiffes, während die Eltern in der Klinik die Wahrheit erfuhren: Hinrich hatte die rechte Hand verloren – und man bemühte sich seit vielen Stunden, sie zu replantieren. Um 22.30 Uhr dann die Mitteilung: „OP ist gut verlaufen!“. Der kleine Patient hatte viel Blut verloren, so dass mehrere Bluttransfusionen erfolgen mussten. Nachdenklich sagt Bianca: „Aber wir waren auch froh. Alles schien gut zu verlaufen – und das Wichtigste: Hinrich hatte den Unfall überlebt!“

Doch die Gewissheit, dass alles gut verlaufen ist, war trügerisch und brachte nur für kurze Zeit so etwas wie Erleichterung. Am darauffolgenden Tag stockte die Blutzirkulation in der replantierten Hand. Das Blut kam dort zwar an, floss aber nicht wieder ab. Bis Sonntag versuchten die Ärzte alles, um die Hand zu retten. Aber vergeblich!

Furchtbar: Nun standen die Eltern vor der Aufgabe, ihrem Sohn mitzuteilen, dass die Hand amputiert werden muss. „Für uns alle brach eine Welt zusammen!“, sagt Bianca, die mittlerweile am Ende ihrer Kraft war. Nein, sie konnte ihrem Sohn diese schreckliche Nachricht nicht überbringen. Diese schwere Aufgabe übernahm Papa Friedrich. Eine Aufgabe, die Mut, Stärke und viel Kraft erforderte. „Es fühlte sich so an, als hätten wir Hinrich angelogen. Vor ein paar Tagen hatten wir ihm noch sagen können „alles wird gut – die Hand ist wieder angenäht!“ – und jetzt das!“, meint Friedrich, der sich so unglaublich schlecht gefühlt hat, nachdenklich.

Die Amputation verlief ohne Komplikationen und schon ganz bald konnte die Familie zurück nach Deutschland. Hinrich wurde in die Universitätsklinik Lübeck verlegt. Aber auch hier wurde die Hoffnung auf schnelle Heilung enttäuscht: Mehrere Stellen am Armstumpf wollten nicht verheilen. Haut vom Oberschenkel musste transplantiert werden. Diese Prozedur wurde mehrfach wiederholt. Hinrichs Bruder Johann hat den Unfall vor einem Jahr mit angesehen und spricht bis heute nicht davon – möchte es nicht.

Eine Psychotherapie ist abgeschlossen und die Psychologin bescheinigt ihm „gute Ressourcen“. Das Leben der Familie hat sich seither gewandelt. „Kaum etwas ist wie zuvor!“, sind sich die Eltern einig. „Wir hoffen, dass das Leben, das für uns so schwer geworden ist, wieder leichter wird und wir vielleicht eines Tages dieses unglaubliche Trauma überwunden haben werden!“

Hinrich, der sich seit dem Unfall in psychologischer Betreuung ist, arbeitet schon intensiv daran: Er und sein Bruder treffen sich regelmäßig mit unseren AMPU KIDS und seit kurzem spielt er sogar in der Amputierten-Fußball-Nationalmannschaft!

Alles Gute!

Andrea Vogt
Andrea Vogt
Lena & Jonathan

Lena & Jonathan

Eine nette Runde: Stefanie, Sarah und ich. Im Hintergrund Lena (10) und Jonathan (1) . Schaut man nicht genau hin, würde man denken, dass sich hier einfach zwei Familien zum Nachmittags-Tee getroffen haben.

Lenas & Jonathans Geschichte